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Arbeit und Wirtschaft Deutschland für Anfänger

Aktien und Aktienkultur

Eine der ersten Fragen, die ich meinem Freund David aus Australien gestellt habe, als ich ihn kennengelernt habe war: „Bei welcher Bank hast du dein Konto?“. Das lag daran, dass ich kurz davor Aktien von Australischen Banken gekauft habe (Ich war tatsächlich Miteigentümer seiner australischen Bank). Wir tauschen uns oft über Aktien, Kryptowährungen und Ähnliches aus. Am Anfang habe ich mit ihm über Konten bei deutschen Banken gesprochen. Dann, mitten im Corona-Börsencrash haben wir über die Chancen für Investitionen gesprochen. Das war der Anstoß hier einmal über Aktien und Aktienkultur in Deutschland zu schreiben.

Wie funktioniert eine Aktie?

Unternehmen haben Eigentümer. Wenn das mehrere Eigentümer sind, dann hat jeder einen bestimmten Anteil. Wie die Eigentumsrechte organisiert sind ist sehr unterschiedlich. Unternehmen, die auf Aktien basieren sind eine Möglichkeit davon.

Aktienunternehmen sind in Tausende oder Millionen Aktien aufgeteilt. Eine Aktie ist also ein (winziger) Anteil am Unternehmen. Sie werden an Börsen gehandelt, können also leicht gekauft und verkauft werden. Und das von jedem (Personen oder andere Unternehmen). Anders als bei anderen Unternehmen braucht man keine aufwändigen Kaufverträge und Absprachen.

Beispiel: Das Unternehmen X besteht aus 100 Millionen Aktien. (Ein Mensch mit braunen Haaren hat ca. 110.000 Haare auf dem Kopf. Das wären also die Anzahl der Kopfhaare von 909 Menschen)

Dividende

Unternehmen haben (wenn es gut läuft) Gewinn. Die Leitung des Unternehmens macht einen Vorschlag wie viel davon an die Aktionäre gezahlt werden soll. Die Aktionäre beschließen gemeinsam ob das Geld an alle ausgeschüttet wird. Das Geld landet direkt auf dem Konto. In Deutschland geschieht das typischerweise einmal im Jahr, etwa April und Mai.

Beispiel: Man besitzt eine Aktie, die 100€ Wert ist. Die Dividende wird auf 3€ festgelegt. Dann werden auch 3€ auf das eigene Konto ausgezahlt.

Hauptversammlung

Meist im Frühling/Sommer finden auch die „Hauptversammlungen“ statt. Es ist wie „das Parlament“ des Unternehmens in dem grundlegende Beschlüsse gefasst werden. Mit jeder Aktie hat man ein Stimmrecht. Dort wird man eingeladen, auch mit nur einer einzigen Aktie. Man kann auch eigene Anträge stellen und kann an den Vorstand Fragen stellen, die sie beantworten müssen. Es ist also eigentlich wie in einem demokratischen Parlament. Mit dem Unterschied, dass nicht jede Person das gleiche Stimmrecht hat, sondern die Person so viele Stimmrechte hat wie sie Aktien besitzt.

Steuern

In Deutschland zahlt man Steuern auf Einkommen. Einkommen kann sein: Arbeitslohn/Gehalt, Zinsen, die man erhält oder Dividenden (Kapitalerträge). Die Steuersätze sind unterschiedlich. Wer mehr verdient, der zahlt auch einen höheren Prozentsatz. Bei Kapitalerträgen kann man die Steuer sofort abziehen lassen. Man zahlt dann 25% auf Gewinne und Dividenden.

Beispiel Gewinn:
Man kauft eine Aktie für 100€ und verkauft sie später für 120€. Das sind 20€ Gewinn. Davon bezahlt man 25% -> 5€. Es bleiben 15€ übrig.

Beispiel Dividende:
Bei 3€ Dividende sind das 0,75€ Steuern. Es bleiben also 2,25€ übrig.

Bis zu 801€ pro Jahr sind aber steuerfrei. Wer nur wenig investieren kann, der muss somit keine Steuern bezahlen. Hierzu muss man den Freistellungsauftrag bei der Bank angeben. https://www.finanztip.de/freistellungsauftrag/

Wer 20 Aktien des Unternehmens X hat, der bekommt 20 x 3€ = 60€. Ohne Steuerabzug
Wer 300 Aktien hat, der bekommt 900€. Er muss auf 99€ Steuern bezahlen (24,75€). Es bleiben 875,25€

Keine Angst: Man braucht nicht selbst rechnen. Die Bank erledigt das alles für dich!

Wenn man Aktien von ausländischen Unternehmen hält, dann bezahlt man auch im Ausland Steuern. Das wird automatisch abgezogen. Einen Teil davon kann man wieder bekommen. (Ist kompliziert. Infos hier: https://www.finanztip.de/indexfonds-etf/quellensteuer/)

Vz. und St.-Aktien

Bei deutschen Aktien gibt es manchmal für ein Unternehmen zwei Arten von Aktien. Diese haben den Zusatz „Vz.“ oder „St.“

  • „St.“ -> Stammaktien. Diese Aktien haben ein Stimmrecht auf der Hauptversammlung.
  • „Vz“ -> Vorzugsaktien. Wer diese Aktien besitzt, hat kein Stimmrecht auf der Hauptversammlung. Als Ausgleich muss per Gesetz ein wenig mehr Dividende ausgezahlt werden. (Für Kleinanleger sind sie interessanter, weil sie meist viel günstiger sind und Kleinanleger kaum in der Unternehmenspolitik aktiv sein wollen).

Wie kaufe ich Aktien?

Man braucht ein Aktiendepot. Die Aktien, die man besitzt sind dort aufgelistet, mit Anzahl, Einkaufspreis, aktuellem Kurs etc. Man kann dort Kauf- und Verkaufsaufträge („Order“) erstellen, mit denen dann Aktien oder andere Wertpapiere gekauft/verkauft werden. Es fallen dabei auch Gebühren an. Für einen Kauf/Verkauf bezahlt man um die 10€. Bei sehr günstigen Anbietern geht es ab 4€ los.

Man kann das Depot entweder bei einer Bank eröffnen oder eine spezielle Plattform (Online Broker) nutzen.

Für Empfehlungen bei welcher Bank bzw. Anbieter man es eröffnen sollte kann ich die Website finanztip.de empfehlen: https://www.finanztip.de/wertpapierdepot/ . Finanztip ist eine unabhängige Stiftung für Verbraucherinformationen zu Finanzthemen.

Fonds: Man kauft Aktien entweder einzeln oder in Fonds. Fonds sind ein Paket von Aktien. Man kauft Anteile an dem Paket. Das hat den Vorteil, dass man an vielen verschiedene Unternehmen Anteile hat. Das senkt das Risiko und man baucht selbst nicht viel Ahnung von den einzelnen Unternehmen. Bei den Fonds sind „ETF“ sehr beliebt, weil dort die Gebühren nicht hoch sind.

Sparplan: Wenn man automatisch einen bestimmten Geldbetrag investiert, sagen wir jeden Monat 100 €. Man kauft damit z.B. einen ETF zu einem Durchschnittspreis im Laufe der Zeit. Dann geht man nicht das Risiko ein, das Geld zu investieren, wenn der Preis hoch ist. Man braucht sich nicht darum zu kümmern, es läuft automatisch. Man kann einen Sparplan stoppen oder ändern, wenn man es möchte. Es heisst sparplan, weil man ormalerweise einen Plan hat: Z.B. „In 15 Jahren möchte ich einen Betrag von X € investiert haben“. Es gibt auch eine steuerfreie „Hilfe“ von Arbeitgebern dafür (wenn sie ihn anbieten) .Es sind ungefähr 20 € pro Monat. „Vermögenswirksame Leistungen“. Diese sind nur mit einigen ETFs möglich. Und nicht zu vergessen: Es kostet weniger als der monatliche Kauf von ETFs.

Wie verbreitet ist der Besitz von Aktien in Deutschland?

Risikoaversion

Anders als in anderen vergleichbaren Ländern besitzen in Deutschland nur sehr wenige überhaupt Aktien. Das wird einmal auf historische Erfahrungen zurückgeführt: Vermögensverluste während der Hyperinflation in den 1920er Jahren, die Verluste durch den Krieg, an dessen Ende reine Finanzvermögen weniger Stellenwert als Lebensmittel und andere Tauschmittel hatten und durch Verluste in den letzten 20 Jahren. In den 1990ern wurden Staatsunternehmen privatisiert und es wurde dafür geworben dass Privatpersonen darin investierten. So zum Beispiel die Telekom-Aktie. Sehr viele hatten sie gekauft, aber nach dem Platzen der DotCom-Blase (Börsencrash 2000) sind die Aktien gefallen und haben sich seitdem nicht erholt. Das war für viele der Moment als sie begonnen hatten Aktien zu kaufen. Sie haben schlechte Erfahrungen gemacht und danach nie wieder Aktien angefasst. Zur gleichen Zeit hat das Geld auf dem Konto noch mehr Geld gebracht – und das ohne Risiko, als Zinsen. Deutsche sind einfach auf mehr Sicherheit und weniger Risiko bedacht. Renditen sollen garantiert sein, auch wenn sie dafür gering sind.

Ein anderer Faktor ist, dass der Sozialstaat dermaßen weit ausgebaut ist, dass es lange Zeit gar nicht notwendig war ein privates Geldvermögen für die Altersvorsorge aufzubauen. Die Rente hat immer funktioniert. Der Staat verteilt viel Geld um. Daher muss der Einzelne weniger alleine vorsorgen. Daher war der Bedarf an Aktieninvestitionen lange nicht vorhanden. Erst in den letzten Jahren hat man gemerkt, dass es durch den demografischen Wandel nicht mehr so gut funktioniert. Immer weniger Jüngere müssen für immer mehr Ältere bezahlen. Die Leute haben aber immer noch nicht erkannt wie wichtig z.B. Aktien sind. (Das gleiche Prinzip führt übrigens auch dazu, dass viele Leute zur Miete wohnen und die Wohnung nicht selbst besitzen. Mieter haben in Deutschland vergleichsweise viele Rechte. Daher braucht man nicht eine Eigentumswohnung, um sich vor Willkür von Vermietern zu schützen.)

Wer besitzt Aktien?

Aktien werden mit Spekulation und extrem Reichen in Verbindung gebracht. Dabei wird kaum gesehen, dass es einfach nur Anteile an Unternehmen sind. An deren Gewinne kann sich jeder beteiligen.

Viele deutsche Unternehmen sind sehr erfolgreich und international tätig. Aber von den DAX-Unternehmen haben mehr als die Hälfte ausländische Eigentümer.

Nur 11% der Deutschen besitzen Aktien. Davon sind die allermeisten Rentner/Pensionäre. Jüngere haben sie kaum, man weiß auch kaum wie es funktioniert.

Welche Unternehmen basieren auf Aktien?

Vereinfacht beschrieben sind Unternehmen, die von mehreren Menschen besessen werden „Gesellschaften“. Dabei wird zwischen Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften unterschieden. Eine Kapitalgesellschaft existiert theoretisch unabhängig von den Menschen, die sie besitzen. Es ist eigentlich „ein Haufen Geld, den irgendjemand besitzt“. Unternehmen haben eine Rechtsform, es ist die äußere Form dieses „Geldhaufens“. Aktien geben Unternehmen mit einer bestimmten Rechtsform aus:

AG
Die klassische deutsche Rechtsform ist die „Aktiengesellschaft“, abgekürzt AG.

SE
Bei sehr großen Unternehmen ist auch die Societas Europaea SE verbreitet. Das ist eine Rechtsform in der EU. Damit ist es besser möglich in den verschiedenen Staaten der EU zu agieren.

Vergleichbar mit:

  • public limited company (abgekürzt plc) -> UK, Irland (Vodafone plc …)
  • corporations (abgekürzt Inc. oder Corp.) -> USA/Kanada (Apple Inc., Microsoft Corp. …)
  • „Société Anonyme“ (abgekürzt S.A. oder SA) -> Frankreich, Belgien (AXA S.A., L’Oréal S.A. …)

Beispiele für börsennotierte Unternehmen

Autohersteller und Zulieferer

BMW AGgroßer Premiumhersteller
Daimler AGgroßer Premiumhersteller
Volkswagen AGder größte Autobauer der Welt

Immobilien

Vonovia SEdas größte Immobilien-unternehmen in Deutschland

Energieversorgung

E.ON SEEnergiedienstleistungen, erneuerbare Energien und Atomkraftwerke
RWE AGEnergieversorgungs-unternehmen (Strom und Gas)
Encavis AGbetreibt Solar- und Windparks

Telekommunikation

Deutsche Telekom AGMarktführer in Deutschland
Telefónica Deutschland Holding AGTochterunternehmen der spanischen Telefónica in Deutschland. Bekannteste Marke ist O2.
Freenet AGhat auch die Marken mobilcom debitel, gravis, klarmobil etc.

Chemie

BASF SEVom Umsatz her das größte Chemieunternehmen der Welt.
Der Hauptsitz ist in Ludwigshafen am Rhein.
Dort kann man eine kostenlose Besichtigung auf dem größten Chemie-Produktionsstandort der Welt mitmachen.
Linde plcEines der weltweit führenden Unternehmen für Industriegase und Anlagen.
Nach einer Fusion den rechtlichen Sitz in Irland als „plc“

Konsumgüter

Adidas AGSportartikel
Henkel AG & Co. KGAStellt z.B. Waschmittel her. Marken sind z.B. Pritt, Persil, Pril etc.
Hugo Boss AGKleidung
Fielmann AGOptiker, Marktführer

Maschinen, Anlagen, Technologie

Siemens AGTurbinen, Kraftwerke etc.
Washtec AGWeltmarktführer für Fahrzeugwaschanlagen
Nordex SEbaut Windkraftanlagen
Rheinmetall AGbaut Rüstungsgüter wie Panzer

Banken und Versicherungen

Allianz SEMarktführer für Versicherungen in Deutschland
Commerzbank AG

Verkehr und Logistik

Deutsche Post AGPaket und Postdienstleistungen. Inklusive DHL
Lufthansa AGLuftfahrt (Auch GermanWings, EuroWings und andere)
Fraport AGFlughafenbetreiber

Sonstiges

CTS Eventim AG & Co. KGaATickets für Konzerte, etc
Sixt SEMietautos
HelloFresh SEliefert Zutaten zum Kochen nach Hause
ProsiebenSat.1 Media SEFernsehsender und Online-Plattformen
Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaAKommerzieller Teil des Fußballvereins
Zoologischer Garten Berlin AG
ISIN: DE0005031801
Der Zoo Berlin ist eine Aktiengesellschaft. 1844 Gegründet. Er ist der älteste in Deutschland und der neuntälteste in der Welt.

Börsen und Indizes

Börsen sind Handelsplätze auf denen Wertpapiere oder auch Rohstoffe gehandelt werden. Das läuft mittlerweile alles elektronisch, über die ganze Welt verteilt. Es gibt aber auch reale Orte, die eine Bedeutung haben. Wie z.B. die Wall Street in New York an der die „New York Stock Exchange“ sitzt. In Deutschland ist der bekannteste Börsenplatz in Frankfurt.

 Aktienindizes zeigen die Entwicklung von vielen einzelnen Aktien an. Mit nur einer Zahl kann man erkennen, ob eine ganze Branche oder Unternehmen eines Landes Wert verlieren oder gewinnen. Der bekannteste ist hier der „Dow Jones Industrial Average“ oder kurz „Dow Jones“ in dem die 30 größten Unternehmen der USA abgebildet sind. In Deutschland ist der „Deutsche Aktien Index“, kurz „DAX“ bekannt. Es gibt aber noch mehr:

  • DAX -> für große Unternehmen
  • MDAX -> für mittlere Unternehmen
  • TecDax -> für Technologieunternehmen
  • SDAX -> für „kleine“ Unternehmen

Meine persönliche Ansicht zur Bedeutung von Aktien

Ich selbst habe mir über Jahre ein wenig Wissen aufgebaut und investiere selbst in Aktien. Bei den meisten meiner Beispiele bin ich investiert. Dabei belasse ich es aber bei ganz klassischen Aktienkäufen und beitreibe keine „Wetten“ oder Spekulationen. Ich kaufe Anteile von Unternehmen von deren Geschäft ich überzeugt bin und die eine gute Dividende ausschütten. Ich will dabei langfristig an den Gewinnen beteiligt sein. Es ist gleichzeitig Altersvorsorge und spannendes Hobby zugleich.

Mit Aktien kann jeder an der globalen Wirtschaft teilhaben. Und zwar nicht nur als Konsument, sondern auch als Produzent. Man braucht nicht ein ganzes Unternehmen oder eine Immobilie kaufen, sondern kann dies in kleinen Einheiten machen. Wenn man zum Beispiel nicht das Geld hat um ein ganzes Haus zu kaufen und zu vermieten, dann kauft man einfach eine Aktie eines Immobilienunternehmens. Das erledigt dann auch die ganze Bürokratie und man erhält Dividenden direkt auf sein Konto. Oder man kann zum Beispiel Aktien von seinem eigenen Mobilfunk-Anbieter kaufen. So kann man das Geld, das man jährlich als Gebühren zahlt wieder als Gewinnausschüttungen zurückerhalten. Man ist damit Kunde seines „eigenen Unternehmens“.

Aktien sind letztendlich ein Mittel zur Demokratisierung der Wirtschaft. Sie sind perfekt dafür, dass Eigentum und Gewinne nicht in der Hand von wenigen, sondern bei möglichst vielen Menschen liegen.

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