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Deutschland für Anfänger Sprache

Kleines Lexikon der Beleidigungen

Beleidigungen oder Schimpfwörter – das sind oft die ersten Worte, die man in einer Sprache lernt. Ich bin nicht weit von der deutsch-polnischen Grenze aufgewachsen. Die ersten Worte, die ich auf polnisch gelernt habe waren „Kurwa“ und „spir dalay“. Mit einem türkischen Freund habe ich darüber diskutiert welche Gruppen unter „Kanaken“ bezeichnet werden. Nur Türken, oder auch Araber bzw. Perser?

Hier möchte ich ein paar geläufige Schimpfwörter bzw. Beleidigungen aufschreiben. Ich selbst benutze so gut wie keine davon. Ich kenne sie aber und schreibe die Wörter ohne Beschönigungen auf.

Stellt euch vor: Eine Französin, eine Dänin, ein Araber und ein Deutscher sitzen zusammen und tauschen sich über Beleidigungen aus. So bin ich einen Entwurf für dieses Lexikon durchgegangen. Erwachsene Leute haben kein Problem darüber zu sprechen.

Die Worte sind immer Kontextabhängig. Es gibt welche, die nach dem Wörterbuch neutral sind. Je nach Situation haben sie aber eine abwertende Bedeutung.

Diese Aufzählung ist rein wissenschaftlich und bildet nur die Realität ab.
Sie wird von mir subjektiv kommentiert und bewertet.

Diese Einteilung (Skala) zeigt den „negativen Respekt“ an.

Schwach Kann man mal benutzen. Ist in der Öffentlichkeit nicht als persönlich zu sehen.
MittelSchon böse. Menschen könnten daraufhin aggressiv werden.
StarkJe nachdem wer es hört kann das großen Ärger geben…

Beleidigungen von Personen bezogen auf:

Beleidigungen lassen sich in Kategorien einteilen. Übrigens: Ich verwende immer die männliche Form. Es gibt oft nur eine männliche Form des Wortes.

kognitive Fähigkeiten

„Idiot“Man kennt es in vielen Sprachen. Idiotie war ursprünglich ein medizinische Diagnose für Leute mit Denkstörungen. Heute benutzt, um jemanden als dumm zu beleidigen.
„Depp“Wie Idiot, aber etwas schwächer. Mit ironischem Unterton kann man auch einem Freund sagen „Du bist ein Depp!“, wenn man ehrlich sagen möchte, dass er etwas dummes getan hat.
„Trottel“Betont, dass jemand ungeschickt ist und Fehler macht.
„Hirni“
„Knallkopf“, „Knaller“im Sinne von „sehr auffällig dumm“. Knaller kann auch ironisch positiv sein.
„Heini“

soziale Gruppe

Wort/Varianten Info
„Horst“, „Vollhorst“Bezieht sich auf den Vornamen „Horst“, der aus der Mode gekommen ist.
„Bauer“(dieses Wort kann neutral oder als Beleidigung genutzt werden). Bezieht sich auf den Beruf Bauer oder Landwirt. Wird im Bezug darauf genutzt, dass Menschen aus ländlichen Gebieten ungebildet seien.
„Proll“, „Prolet“Von „Proletarier“, bezieht sich auch auf soziale Gruppen, denen man unterstellt sie seien ungebildet. Anders als beim „Bauer“ hat der Begriff seinen Ursprung bei einfachen Arbeitern (in der Stadt).
„Bonze“Genutzt für Menschen in höheren Positionen, um sie als arrogant und weit entfernt vom einfachen Menschen darzustellen. Z.B. „Parteibonze“
„Schnösel“Ähnlich wie „Bonze“. Aber eher für einen selbstgefälligen, reichen, arroganten Menschen. In anderen Sprachen: Google übersetzt es ins Englische als „prig“
„Penner“Das klassische Schimpfwort für obdachlose Menschen. Von „pennen“, einem umgangssprachlichen Begriff für schlafen. Ein Penner ist jemand, der auf der Straße pennt/schläft. In anderen Sprachen: Google übersetzt es ins Englische als „jerk“
„Hartzer“Ein dauerhaft Arbeitsloser. Meist im Kontext von ungebildeten Leuten, die zuhause sitzen, evtl. tagsüber trinken und rauchen. Kommt von „Hartz4“, dem umgangssprachlichen Begriff für das Arbeitslosengeld 2, welches Langzeitarbeitslose zur Unterstützung bekommen. „Einen auf Hartz IV machen“ ist die abfällige Umgangssprache für „Von Hartz 4 leben“. Kann aber auch selbstironisch genutzt werden.

sonstige Eigenschaften

Wort/Varianten Info
„Weichei“Wie ein weiches Ei… D.h. schwach, ängstlich, also jemand der sich etwas nicht traut. Man kann jemanden sagen „Du bist ein Weichei!“ wenn man jemanden dazu bringen möchte sich etwas zu trauen.
„Pussy“auch jemand „weiches“. Weich wie eine Frau, oder besonders weiche Frau
„Muttersöhnchen“Jemand Unselbstständiges. Jemand, der davon abhängig davon ist was die Mutter sagt. Gilt für Kinder und auch für erwachsene (Männer).
„Alki“Kurzform und Umgangssprache für „Alkoholiker“. Bei unteren soziale Schichten genutzt.
„Suffkopp“, „Suffi“Wie „Alki“, aber nicht in allen Regionen genutzter Ausdruck. Bezieht sich auf „Saufen“ als vulgäres Wort für „(Alkohol) trinken“. Aus dem hochdeutschen Sauf-Kopf (was niemand nutzt) wird Suff-Kopp.
„Schisser“Jemand, der besonders viel Angst hat. (Jemand, der sich vor Angst „in die Hose scheisst“)
„Bastard“Ursprünglich ein unehelich geborenener Sohn. Diese eigentliche Bedeutung spielt heute keine Rolle, denn in der deutschen Mehrheitsgesellschaft sind Kinder, die nicht in einer Ehe geboren wurden nichts moralisch Verwerfliches mehr wie noch vor vielen Jahren. Das Wort wird aber noch benutzt, weil es mit „minderwertig, verkommen, ehrenlos“ verbunden wird.

Vergleiche mit Tieren

Wort/Varianten Info
„Schwein“, „Sau“Auch als Beleidigung genutzt. Geht auf das Klischee zurück, das Schweine sehr unsauber sind (Was aber tatsächlich nicht stimmt). Mit einer Verbindung mit Schwein oder Sau (weibliches Schwein) damit kann man aus einem neutralen Begriff eine Beleidigung machen: „Bayern-Schweine“ (Fussball, FC Bayern), „Schweine-System“ (meist von Linksextremisten gebraucht)
„Kuh“„Kuh“ als schwerfälliges Tier wird auch als Schimpfwort für Frauen benutzt. Oft wird es dann von Frauen für andere Frauen benutzt.
„Affe“Wenn man jemand als „leicht Verrückten“ bezeichnen möchte. Kann auch rassistisch genutzt werden, um jemanden zu entmenschlichen.
„Ratte“Um Jemanden als hinterlistig und schmutzig zu beleidigen.
„Ungeziefer“für Gruppen
„Bulle“Beleidigung und abfälliges Wort für Polizisten. Im Englischen „cop“ oder „pig“
„Hund“Vorrangig durch türkisch/arabische Migranten benutzt. „Du Hund!“
(falsche) „Schlange“eine hinterlistige Frau
„Brillenschlange“hauptsächlich durch Kinder benutzt, um andere Kinder abzuwerten, die eine Brille tragen
(Köter)„Köter“ ist eine „Beleidigung“ für Hunde. Für Menschen wird sie üblicherweise nicht genutzt.

Sau-…, aber auch Schweine-… sind Verstärker, also positiv oder negativ (saugeil, saugut, schweinekalt, saukalt)

Sexualität

Wort/Varianten Info
„Wichser“
„Schlampe“, „Nutte“, Hure
„Hurensohn“
„Fotze“abfällige Bezeichnung für das primäre weibliche Geschlechtsorgan, das auch als starkes Beleidigung für die ganze Frau genutzt wird.
„Tunte“, „Homo“, „schwul“verliert langsam beleidigenden Charakter
„Schwuchtel“abfällige Bezeichnung für Schwule/ homosexuelle Männer. Wird allerdings oft auch für nicht-homosexuelle Männer benutzt und hat eine ähnliche Bedeutung wie „Weichei“ oder „Pussy“
„Arschficker“besonders abfällige Bezeichnung für Schwule/ homosexuelle Männer.

Schmutz / Fäkalien

Wort/Varianten Info
„Arsch“, „Arschloch“eine häufig benutzte Standard-Beleidigung, die auf den Vergleich mit dem „schmutzigsten“ Körperteil abziehlt
Scheiße, bzw. Scheiß-„…“Als direkte Beleidigung nutzt man Stück, also: „Du Stück Scheiße!“. Man nutzt es auch als Adjektiv, also „Du bist scheiße!“ oder „XY ist scheiße“. Man kann auch etwas beliebiges als „Scheiß-…“ bezeichnen. Oft auch als Zusammensetzung mit normalen Worten. Beispiel 1: „Auto“ ist ein neutrales Wort. Mit „Scheiß-Auto“ drückt man aus, dass es ein schlechtes Auto ist. Beispiel 2: „Ausländer“ oder „Deutscher“ ist auch neutral. Wenn man „Scheiß-Ausländer“ oder „Scheiß-Deutscher“ sagt, dann beleidigt die Herkunft. (siehe dazu die nächste Kategorie)
Drecks…selbes Prinzip wie „Scheiß…“ (Drecks…) Verstärkung wie Sau/Schwein Für …Schlampe, …sau, …schwein Beispiel: Drecksfotze. Aber auch Dinge wie „Drecksauto“, „Dreckstür“, Dreckssoftware etc.
Mist, Mist…, Miststück„Mist“ ist funktioniert genauso wie Dreck oder Scheiß. Ist aber etwas schwächer. Sehr verbreitet ist das Wort „Miststück“ – eine typische Beleidigung von Frauen für Frauen.

Herkunft / Ethnie / Rasse

Wort/Varianten Info
„Kanake“Beleidigung für Einwanderer aus dem vorderasiatischen Raum, besonders für Türken in Deutschland. Wird von Türken aber auch als identitätsstiftende Selbstbezeichnung benutzt (ähnlich wie „Nigger“ in den USA). Das Wort hat seinen Ursprung als Selbst-Bezeichnung von Südsee-Völkern und ist wohl durch die europäische Kolonisierung dort nach Europa gekommen. Wie das Wort genau verbreitet wurde und wie es zur Beleidigung wurde ist unbekannt.
„Kartoffel“ / „Hans“Deutsche (von Türken und Türkeistämmigen für Urdeutsche benutzt)
„Alman“Ähnlich wie „Kartoffel“ / „Hans“. Bedeutet eigentlich nur „Deutscher“ auf türkisch bzw. arabisch. Es wird von Türken, Türkeistämmigen und Arabern aber auch so benutzt, dass Urdeutsche abfällig/verächtlich/respektlos benannt werden. In den letzten Jahren wird er aber manchmal auch von Deutschen ohne Migrationshintergrund genutzt, um eine bestimmte Gruppe von Deutschen zu bezeichnen. Für „verweichlichte, über-tolerante, nette Deutsche, die sich nicht wehren, wenn man sie angreift oder beleidigt“. Also die Gruppe, die tatsächlich dem Klischee entspricht, das viele Einwanderer aus dem Nahen und Mittleren Osten von Deutschen haben.
„Bimbo“für Schwarze, „Nigger“ als englisches Wort ist selten. Das Wort „Neger“ (engl. „negro“) ist schwer zu beurteilen. Es erlebt gerade einen Wandel. Früher allgemein und heute bei einem Teil der Bevölkerung (meist Ältere) ist es nicht als Beleidigung gemeint, sondern (wenn auch leicht abfällig) als Wort für Schwarze. Mehr und mehr wird es aber als Beleidigung definiert.
„Jude“Neutrales Wort, das als Schimpfwort benutzt werden kann. „hinterhältig“, sehr politisch unkorrekt. Wird aber noch benutzt, oft von Türken/Arabern oder Staatsbürgern mit arabisch/türkischem Hintergrund
„Nazi“eigentlich für Neonazis und Rechtsextreme, wird aber oft benutzt um jemanden zu diffamieren oder anzuschuldigen. Unterstellung von Rassismus (von Europäern)
„Polacke“für Polen
„Schlitzauge“für Asiaten. Daneben gibt noch das Wort „Fidschi“, das in Ostdeutschland genutzt wird.
„Spaghetti“ / „Itacker“Italiener
„Froschfresser“, „Franzacke“Franzosen
„Schluchtenscheisser“Österreicher
„Piefke“In Österreich ein beleidigender Ausdruck für Deutsche. („Piefke“ war ein deutscher Komponist?!)
„Saupreiß“In Bayern für alle Nicht-bayerischen Deutschen. Früher ernst, heute eher ironisch
„Gelbfüssler“für Baden-Würtemberger (nur Badener?) -> historischer Ursprung. Heute aber keine starke Beleidigung.

Behinderungen und Aussehen

Wort/Varianten Info
„Krüppel“
„Mongo“bezieht sich ursprünglich auf das Down-Syndrom, das bis in die 1960er „Mongolismus“ genannt wurde
„Spast“, „Spasti“Aus dem medizinischen Bereich: Spastik/Spastiker (Gehirn oder Rückenmarksschädigung). Diese Bedeutung ist aber kaum noch bekannt. Das Spast oder Spastiker wird wie das Wort „Idiot“ genutzt
„behindert“Neutrales Wort, das als Schimpfwort benutzt werden kann. „Du bist doch behindert!“
„Missgeburt“selbsterklärend?
„hässlich“selbsterklärend
„Hackfresse“bezieht sich auf ein hässliches Gesicht (Fresse, vulgäres Wort für Mund)
„Fettwanst“, „fett“auf Aussehen bezogen, „fette Kuh“

Ursprünglich religiöse Wörter und Sonstiges

Wort/Varianten Info
„Sack“
„Teufel“religiöser Ursprung, heute veraltet
„Gesochs“, „Pack“, „Abschaum“für Gruppen

Es gibt noch so viele mehr, aber für die einen bin ich zu alt, andere sind regional und andere habe ich noch nie gehört.

Beleidigende Ausdrücke

Die Beleidigungen, die ich hier aufgezählt habe werden genutzt, indem man sagt dass jemand … ist. Genauso wie für Menschen gilt das auch für Tiere und Dinge.

Z.B. „Du bist ein Arschloch!“

Daneben gibt es noch „beleidigende Ausdrücke“

  • „Fick dich!“ (Kurzform von „Fick dich selbst!“) -> Wie das englische „Fuck you!“ (auch die Englische Version wird in Deutschland genutzt, gefühlt noch häufiger)
  • „Ich ficke Dich!“, „Ich ficke… deine Mutter/Freunde/etc.!“, so wie „Ich mache dich fertig!“-> im Sinne von jemanden etwas Schlechtes antun (z.B. schlagen)
    -> hier gibt es aber unzählige Ausdrücke, die das gleiche meinen, die aber mehr oder weniger vulgär sind
  • „Verpiss Dich!“ -> vulgär für „Geh weg!“ oder „Verschwinde!“. Wenn man über andere redet („Er hat sich verpisst“) dann bedeutet dass, dass die Person sich still/heimlich/aus Angst entfernt hat. (Dieser Ausdruck kommt aus der Militärsprache -> dazu mehr in einem anderen Beitrag), Englisch „piss off!“

Straftatbestände, Urteile und Strafen

Beleidigung (von Einzelpersonen)
(Paragraf 185 des Strafgesetzbuches)
In diesem Paragrafen steht nicht viel, auch wird dort nicht definiert was eine Beleidigung ist. Man kann es erkennen wenn man sich Gerichtsurteile ansieht. Ob etwas eine Beleidigung ist (oder nicht) wird also vor Gericht, von Richtern festgestellt. Wer sich beleidigt fühlt muss also erst einmal eine Anzeige erstatten.
Der Paragraf 185 StGb besagt, dass eine festgestellte Beleidigung mit Gefängnis bis maximal einem Jahr oder mit einer Geldstrafe bestraft werden muss. Wenn bei einer Beleidigung auch eine körperliche Handlung (Ohrfeige, Anspucken etc.) dazukommt wird das Strafmaß höher. Dann sind es maximal 2 Jahre Gefängnis. (Eine Strafe wegen Beleidigung läuft aber immer auf eine Geldstrafe hinaus, ich habe noch nie von einer Gefängnisstrafe wegen Beleidigung gehört)

Volksverhetzung (Beleidigung von „Minderheiten“)
(Paragraf 130 des Strafgesetzbuches)
Gegen Beleidigung von Personen und ganze Bevölkerungsgruppen (Herkunft, Rasse, Ethnie, Religion). Zum Beispiel wenn jemand alle Schwarzafrikaner beleidigt.
Der Artikel bezieht sich aber ausdrücklich auf Minderheiten-Gruppen. Deutsche fallen nicht darunter, so dass der Paragraf auch kritisiert wird. Es gibt zum Beispiel ein Gerichtsurteil in dem gesagt wird, dass eine Beleidigung von Deutschen nicht unter diesen Artikel fallen kann. Im „Köterrasse“-Fall hat ein Türkeistämmiger in einem Twitter-Post alle Deutschen als „Hundeclan“/“Köterrasse“ (anders gesprochen Rasse von dreckigen Hunden) bezeichnet. Dies wurde in Hamburg nicht als „Volksverhetzung“ gewertet. Würde aber ein Deutscher türkischstämmige Bürger so beleidigen, also im umgekehrten Fall wäre es eine Straftat.

Zusätzlich werden damit positiver oder relativierende Äußerungen zu bestimmten Verbrechen im Nationalsozialismus (1933-1945) abgedeckt. So auch, wenn man den Holocaust leugnet – d.h. zu behaupten dass er nicht stattgefunden hat. Viele Straftaten bezüglich dieses Paragrafen beziehen sich auf dieses Themenfeld.

Ausdruck von Ärger

„Scheiße!“, „Verdammt!“, „Mist!“, „So ein Scheiß…“ sind Ausdruck von Ärger. Sie sind keine Beleidigungen gegen Personen, sondern so etwas wie „Beleidigungen von Situationen oder Dingen“.

„Verflixt!“ oder „Kruzifix!“ sind Beispiele für Ausdrücke, die heute veraltet sind. Sie werden meistens nur noch ironisch benutzt.

Diese Ausdrücke führen uns aber schon in ein anderes Thema. Das allgemeine Thema der „vulgären Sprache“. Dies werde ich aber in einem anderen Beitrag behandeln.

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Nachnamen in Deutschland

Hier werde ich über Nachnamen in Deutschland schreiben. Dass das interessant sein kann habe ich mehrere Male bemerkt.  Zum Beispiel, als mir ein Freund aus Äthiopien gesagt hat, dass er sich immer fragt welche Eigenschaften die Vorfahren einer Person mit dem Namen „Stein“ gehabt haben müssen. Oder als ich mit einem Portugiesen über die Regelungen in Deutschland gesprochen habe, die sich ja von Portugal oder Spanien, wo man ja mit 2 Nachnamen arbeitet, unterscheiden. Oder aber als ich von einem Syrer erfahren habe, dass es in arabischen Ländern üblich ist, dass bei einer Heirat die Frau ihren Namen behält, die Kinder aber den Nachnamen des Vaters erhalten. Oder mit einer Koreanerin über das Voranstellen des Nachnamens, was in Deutschland in einer Region vom Dialekt her auch existiert. Weil ich also gemerkt habe, dass es auf der Welt ganz unterschiedliche Konzepte gibt möchte ich hier einen Überblick verschaffen.

Allgemeines

Ganz allgemein wird zwischen Vor- und Nachnamen unterschieden. 

Robert Behrendt -> Robert ist der Vorname, Behrendt der Nachname

Den Nachnamen erbt man von den Eltern. Der Vorname wird von den Erziehungsberechtigten ausgesucht. Bei beiden gibt es in Deutschland genaue Gesetze.

Sie sind auch sehr festgelegt. Namen kann man in Deutschland nicht so einfach ändern. Es muss bei der staatlichen Verwaltung beantragt werden und wird nur in Ausnahmefällen genehmigt. Bei Nachnamen zum Beispiel wenn sie sehr anstößig oder lächerlich klingen (Zum Beispiel „Fick“), Oder wenn sie extrem lang und schwierig auszusprechen und zu schreiben sind. Manchmal auch wenn sie sehr leicht verwechselt werden können.

Herkunft der Familiennamen in Deutschland

Die Nachnamen stammen meistens aus dem Mittelalter. Bis vor etwa 500 bis 800 Jahren gab es praktisch nur die Vornamen. Die Personen wurden meist mit ihrem Beruf (Bauer, Fischer, Müller), einer persönlichen Eigenschaft (klein, groß, schön, alt, braunhaarig), ihrem Wohnort (am Bach, am Berg) und Anderem näher benannt. Ab dem Mittelalter wurden diese Nachnamen aber langsam festgeschrieben, also in Dokumenten vermerkt und an die Kinder vererbt. Schon seit langer Zeit gibt es sehr viele slawische Namen, also von Vorfahren aus Ost-Mittel- und Osteuropa. Das sind Namen wie Nowak oder Kowalski, die man vor Allem daran erkennt, dass sie sehr kompliziert zu schreiben sind, In den letzten hundert Jahren sind natürlich Namen aus Europa und seiner Nachbarschaft, also italienische, türkische, französische, griechische Namen dazugekommen. In Zukunft wird wohl auch der Anteil an arabischen, persischen und afrikanischen Nachnahmen an Bedeutung gewinnen.


Berufe

Mit der Festschreibung der Nachnamen wurden typische Berufe aus früher Zeit konserviert. Seit der Industrialisierung gibt es viele Berufe aber gar nicht mehr. So zum Beispiel „Böttcher“ oder „Köhler“. Andere kennt man noch – obwohl es nicht mehr viele gibt (z.B. „Schmidt“). Wieder andere sind sind zeitlos (z.B. „Koch“).

„Der Fassbinder“ von Christoph Weigel, 1698
NameBedeutung (von vergessenen Berufen)
Müller
Schmidt
Schneider
Bauer
Fischer
Koch
Böttcher, Schäffler, FassbinderHandwerker, die Fässer bauten
KöhlerHersteller von Holzkohle
Vogt, Meier, Schulz, ScholzVerwalter, Beamte
Beispiele von Nachnamen, die auf Berufen basieren

Persönliche Eigenschaften

Um Menschen zu beschreiben, beschreibt man auch deren Körper. Auch wenn die Nachfahren dieser Menschen ganz anders aussehen, sind diese Namen sehr verbreitet.

NameBedeutung
Groß, Lang, Langebesonders große Körpergröße
Kleinkleine Körpergröße
Jung
Altman kann nur vermuten, dass die Person sehr alt ausgesehen hat
Schwarz, Braun, Krausehier waren üblicherweise die Haare gemeint
(sehr dunkles, braunes oder krauses Haar)
stark
Beispiele von Nachnamen, die auf Körpereigenschaften basieren

Wohnstätten, Wohnort

Namen, die auf den Ort hinweisen, wo die Leute gewohnt haben. Das hat man vor Allem gemacht, weil der Beruf Bauer war so häufig war. Deshalb hat man zur besseren Unterscheidung der Leute einfach den Wohnort angegeben. Wer an einem Bach gewohnt hat wurde so „Bachmann“ genannt.

NameBedeutung
Berg, Bergeram Berg
Steinauch Berg/Felsen. Stein ist ein anderes Wort für einen Felsen
Becker / Bachan einem Bach wohnend
(Bäcker mit „ä“ kommt meist vom Beruf,
Becker mit „e“ vom Wort Bach/oder auch „Beck“)
Beispiele von Nachnamen, die auf dem Wohnorten eines Vorfahren beruhen
Wer hier wohnt, „wohnt am Berg“ und kann als „Berger“ bezeichnet werden.
Wer hier wohnt, wohnt „am Bach“ und kann als „Bachmann“ bezeichnet werden.

Vornamen als Nachnamen

Es sind auch einige Vornamen auch zu Nachnamen geworden. Damit wurde die Person als der Sohn des „…“ benannt.

„Behrendt“ ist z.B. eine Ableitung des Vornamen „Bernard“. Bernard ist aber eigentlich ein Vorname. (die Bedeutung des Vornamens ist: „Hart/stark wie ein Bär“.)

Herkunft einer Person

NameBedeutung
Pohlmannaus Polen
Böhmaus Böhmen
Frankeaus Franken
Deutschmannein Deutscher
Beispiele von Nachnamen, die auf der Herkunft eines Vorfahren beruhen

Slawische Namen

Durch die enge Verbindung in en ostmitteleuropäischen Raum (vor Allem heutiges Polen) gibt es auch schon seit Jahrhunderten viele slawische Namen. Ca. 8-9% der Familiennamen in Deutschland haben einen slawischen Ursprung. Sie enden üblicherweise mit -ak, -ow oder -ski.

Beispiele: Nowak, Noack, Pietsch, Koslowski, Kowalski, Lewandowski

Hugenotten-Namen (französisch)

Hugenotten waren französische Protestanten, die durch die Katholiken in Frankreich vertrieben wurden. Das war vor etwa 300 Jahren. Sie haben in vielen protestantischen Gegenden Europas, auch in den protestantischen Ländern Deutschlands eine neue Heimat gefunden.

Beispiele: Dumont, Boué, Godeffroy, de Maizière, Sarrazin

Einwanderung der letzten 70 Jahre

Aus der Einwanderung des 20. Jahrhunderts stammen viele türkische Namen. „Yilmaz“, „Öztürk“ oder „Erdogan“ zum Beispiel kommen auch in Deutschland relativ oft vor. Bei etwa 3 Millionen Türken und türkeistämmigen Deutschen kann man von etwa 3 – 3,5% türkischen bzw. kurdischen Familiennamen ausgehen. Daneben gibt es noch nennenswerte Zahlen von italienischen, griechischen, spanischen und englisch-amerikanischen Familiennamen.

Spezialfall: Adelsnamen

Der Adel war lange Zeit die weltliche gesellschaftliche Führungsschicht in Deutschland. Es gab Adelstitel, die aus bestimmten Funktionen entstanden sind, wie z.B. „Graf“, „Freiherr“ oder „Ritter“. Die Titel sind später vererbt worden. Mit dem „von“ oder „zu“ wird meistens der Herkunftsort der Familie angezeigt.
Seit dem Ende der Monarchie in Deutschland 1919 haben die Mitglieder des Adels keine Privilegien mehr. Die Adelstitel und -Namen, die vorher Rang und Stellung anzeigten wurden einfach zu festen Nachnamen.

Paul „von Hindenburg“
Otto „von Bismarck“
Ursula „von der Leyen

Es gibt aber eine Besonderheit. Bei den Adelstiteln gibt es die Ausnahme, dass die männliche und weibliche Form weiterhin verwendet werden darf.

Mann -> „Freiherr von…“ | „Graf von…“
Frau -> „Freifrau von…“ | „Gräfin von…“

Das jemand einen Adelsnamen hat zeigt heute also nur etwas aus der Historie der Familie. Rechtlich ist jemand mit einem adeligen Namen ein ganz normaler Bürger.

Denkmal Valentin Becker

Denkmal für Valentin Becker. Jetzt weiß der Leser woher „Becker“ kommt.

Regeln für Familiennamen beim Heiraten

Bei der Heirat ist der klassische Fall, dass die Frau den Nachnamen des Mannes annimmt. Das ist auch die jahrhundertealte Tradition, die bis in die 1960er/1970er Jahre gesetzlich vorgeschrieben war. Heute kann man sich aussuchen, ob ein Partner den Namen des Anderen annimmt, oder ob beide ihren eigenen Nachnamen behalten. Einer der beiden Partner kann auch einen Doppelnamen tragen. Nach einer Scheidung hat man in der Regel das Recht seinen alten Namen wieder anzunehmen. Eigenkreationen, also Mischungen von Namen sind nicht erlaubt. Für Ausländer, die in Deutschland leben kann bei Heirat auch das Namensrecht des Heimat-Staates angewandt werden.

Wenn zum Beispiel Martin Müller und Anne Schmidt heiraten, haben sie nach deutschem Recht folgende Möglichkeiten:

Variante (nach Häufigkeit)Namen nach der HochzeitHäufigkeit (2016)
1. die Frau nimmt Namen des Mannes anMartin Müller + Anne Müller74%
2. beide behalten ihren NamenMartin Müller + Anne Schmidt12%
3. ein Ehepartner
(meistens die Frau)
nimmt einen Doppelnamen an
Martin Müller + Anne Schmidt-Müller
oder
Martin Schmidt-Müller + Anne Schmidt
8%
4. der Mann nimmt Namen der Frau anMartin Schmidt + Anne Schmidt6%

Dreifachnamen sind übrigens nicht möglich! Das hat das Bundesverfassungsgericht am 5. Mai 2009 festgelegt. Man kann also nicht durch mehrere Ehen „Namen sammeln“ und dann z.B. „Schmidt-Müller-Stein“ heißen.

Beispiel einer bekannten Person
Angela Kasner wurde 1954 geboren. 1974 heiratete sie Ulrich Merkel. Sie änderte ihren Namen auf Angela Merkel. 1981 ließen sie sich scheiden, Angela Merkel behielt aber den angenommenen Ehenamen. 1998 hat sie Joachim Sauer geheiratet. Sie behielten aber beide Ihre jeweiligen Namen und sind nun das Ehepaar Angela Merkel und Joachim Sauer.


Geschichtliche Entwicklung Ehenamensrecht (für besonders Interessierte Leser)

Am Ende des 19. Jahrhunderts, im Kaiserreich 1875 wurde die Zivilehe eingeführt. Seit diesem Zeitpunkt kann man von allgemeinen Regeln in ganz Deutschland sprechen. Mit dem BGB von 1896 war zum gesetzlich geregelt, dass (der Tradition entsprechend) der Name des Mannes bei Eheschließung automatisch der Familienname wird.

Eine Änderung daran gab es 1966 in Ostdeutschland (DDR) und ab 1976 auch in Westdeutschland (BRD):
Entweder der Name des Mannes oder der Frau wurden zum Familiennamen bestimmt, den auch die Kinder bekommen. Wenn es gewünscht war konnte einer der beiden Ehepartner seinen bisherigen dem neuen Ehenamen verbinden. Doppelname, z.B Schmidt-Müller. Dass beide ihren Namen behalten war aber nicht möglich. Zu beachten ist, dass die Gesetze in den beiden deutschen Staaten mit 10 Jahren Unterschied geändert wurden. Bei der Gleichstellung der Frau war das sozialistische Ostdeutschland schneller als das freiheitliche Westdeutschland.

1991 wurde im wiedervereinigten Deutschland beschlossen, dass beide auch ihre eigenen Namen behalten durften. Auch war damit ein Doppelname für beide Personen möglich. Schon 1993 wurde aber die Möglichkeit der gemeinsamen Doppelnamen für Verheiratete und auch für Kinder wieder zurückgenommen.
Seit 1993 gelten die oben genannten Regeln.


Weitergabe der Familiennamen bei Kindern

Wenn die Eltern verheiratet sind: In einer Ehe kann ein Familienname bestimmt werden. Diesen erhalten auch die Kinder. Wenn es keinen vorher bestimmten Familiennamen gibt, wird einer der Namen der Eltern gewählt.

Wenn die Eltern nicht verheiratet sind: Bei Kindern, die nicht in einer Ehe geboren werden erhalten die Kinder normalerweise den Namen der Mutter. Das Kind kann aber auch den Namen des Vaters annehmen, wenn beide Eltern das Sorgerecht haben.

Ein Doppelname kann nicht an die Kinder weitergegeben werden. Das war nur in einer Zeit von 1991 bis 1993 möglich. Lena Meyer-Landrut, die für Deutschland den Eurovision Song Contest 2010 gewonnen hat ist einer dieser Ausnahmen, sie ist 1991 geboren und hat den Doppelnamen von ihrem Vater.

Anne und Martin bekommen eine Tochter, Leonie. Je nachdem wie die Eltern heißen gibt es folgende Möglichkeiten für Leonies Nachnamen:

Name der ElternName der Tochter
Anne Schmidt und Martin Schmidt Leonie Schmidt
Anne Schmidt und Martin Schmidt-Müller Leonie Schmidt
Anne Schmidt und Martin Müller
(egal ob Anne und Martin verheiratet sind oder nicht)
Leonie Schmidt
oder
Leonie Müller
Karl Schmidt

Herr Schmidt hat nicht den Beruf seines mittelalterlichen Vorfahren gewählt.

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